Erst „faule Deutsche“, jetzt die „Drecksarbeit“: Was seine Sprache über Friedrich Merz verrät

Der Kanzler stolpert erneut über seine eigenen Worte. Die Sprache von Friedrich Merz erzählt viel über seine elitäre Sicht der Welt. Ein Kommentar.
So lautet der exakte Satz: „Frau Zimmermann, ich bin Ihnen dankbar für den Begriff Drecksarbeit. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“ Friedrich Merz (CDU) sagte dies zu der ZDF-Hauptstadtstudio-Leiterin Diana Zimmermann in einem Interview am Rande des G7-Gipfels in Kanada. Die Journalistin also hat den Krieg Israels gegen den Iran zuerst als „Drecksarbeit“ bezeichnet und ins Spiel gebracht.
Ein kluger, ein vernünftiger Kanzler hätte den Begriff wohl zurückgewiesen, ihn jedenfalls nicht aufgenommen, sich wohl erst recht nicht dafür bedankt und das Wort wiederholt. Aber „Drecksarbeit“, das ist Merz pur. So redet unser Kanzler, da fühlt er sich wohl, das findet er gut.
Seitdem ist national und international die Empörung über den Kanzler groß. Es wird weitflächig diskutiert, inwiefern das Wort die zivilen Opfer im Iran verhöhnt, dass es überhaupt grundfalsch sei angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs. Es wird aber auch diskutiert, ob Merz’ Wort nicht gerade gut und angemessen sei, weil endlich mal ehrlich und deutlich, klare Kante für diesen Krieg gegen das Mullah-Regime, dessen Atomprogramm und weltweite Terrorunterstützung. Denn viele Menschen wünschen sich wieder klare Worte aus der Politik. Aber sind es die richtigen?
Bemerkenswert ist doch, dass der Bundeskanzler seit seinem Antritt nun zum zweiten Mal über seine „eigenen“ Worte stolpert, die in beiden Fällen dem Sprachraum der Arbeit enstammen.
Gerade zwei Wochen im Amt, gab der Bundeskanzler den strengen Vater, der den Kopf darüber schüttelt, wie sehr die Kinder in seiner Abwesenheit auf die falsche Bahn geraten sind. Es müsse in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter gearbeitet werden. „Mit Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können“, ermahnte Merz die angeblich immer „fauler“ werdende Bevölkerung. So sah es der Kollege aus der Wirtschaftsredaktion hier, der so verärgert war über die Aussagen des Kanzlers wie viele Bürger.
Inhaltlich lässt sich natürlich streiten über den Gehalt von dem, was der Bundeskanzler sagt. Der eine mag es so sehen, der andere anders. Tatsächlich sind die Arbeitsstunden pro Kopf in Deutschland auf einem eher unterdurchschnittlichen Niveau. Dass aber die deutsche Arbeitsmoral schuld am schlechten Zustand des Landes sei, grenze an Realitätsverweigerung, so mein Kollege.
Es handelt sich bei Merz’ sprachlichen Stolperern über zwei grundverschiedene Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Aber sie sind nun mal sprachtechnisch beide dem Bereich der Arbeit zugeordnet. Und arbeiten, das tun immer die anderen, und zwar für Menschen wie Merz. Und die sollen sich mal mehr anstrengen.
Der CDU-Vorsitzende arbeitete jahrelang für den US-Finanzriesen Blackrock, der mit unfassbaren Vermögen am Markt jongliert. Für viele Bürger repräsentiert das eine weit entfernte, abgehobene Welt, in der man nicht durch harte Arbeit, sondern durch pures Geldhaben immer mehr Geld verdient. In der immer ein anderer die Drecksarbeit macht und man selbst möglichst gut dasteht. Merz gilt in der Öffentlichkeit als kalt und eher nicht sympathisch. Man muss sich nicht wundern, bei dem kalten Denken, das er in beiden hier beschriebenen Fällen in scheinbar lapidare Worte fasst.
Freilich, ein Kanzler muss nicht sympathisch sein. Doch beide Fälle kennzeichnet ein hohes Maß an Doppelmoral. Merz weiß genau, dass trotz verschärfter Sanktionen gegen das iranische Regime die deutschen Exporte in das Land zuletzt deutlich stiegen. Von Januar bis Februar um 22 Prozent, auf 241 Millionen Euro, so das Statistische Bundesamt. Die Zeit kommentiert es so: Er traue sich nicht, das Regime hart zu sanktionieren, „aber freut sich mit völlig unpassenden Ausdrücken, wenn ein anderer es militärisch angreift?“
So ähnlich verhält es sich auch bei seinen Ideen zum Arbeitswillen: Die deutsche Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt (seine Baustellen und Verantwortung), aber Merz schimpft auf den einzelnen Arbeiter, die deutsche Arbeitsmoral?
Die Chefs sind smart, nie am Tatort zu finden.Drecksarbeit ist Arbeit, die keiner machen will, aber einer machen muss. Es ist ein Begriff für „niedere Arbeiten“, mit denen sich die Chefs nicht die Hände schmutzig machen, sondern die sie ausführen lassen. Die Chefs sind smart, nie am Tatort zu finden. Und auch nicht in der Baugrube.
Es ist ein Wort, das man gern hört von Leuten, die aus eigener Erfahrung wissen, was Drecksarbeit ist. Es ist ein Wort, das man nicht gern hört von Leuten, die noch nie selber Drecksarbeit erledigt haben. „Merz sollte mal ein Klo putzen. Dann wüsste er, was Drecksarbeit bedeutet“, sagte der Ko-Vorsitzende der Linken, Jan van Aken.
Das zur Eskalation neigende, affektgetriebene und verantwortungslose Reden von Merz passt vielen Deutschen nicht. Vielleicht, weil es dem Kanzler deutlich an Empathie mangelt, sicher aber, weil das sogenannte Volk genaue Antennen für Heuchelei hat und merkt, wenn einer elitär daherredet, obwohl er keine Ahnung von ihrem Alltag hat.
Berliner-zeitung